Die Frostmann-Saga Teil 7.1: Von Treue und Zwietracht
Die letzten Goblins stiegen den Hang hinauf, ihre Umrisse bald im dichten Pulverschnee verschwimmend, während Grimbald, Thronde und Rotang mit donnernden Schritten hinter ihnen her hetzten. Als ihr fernes Keuchen und das Klirren von Waffen endgültig verstummten, breitete sich eine gespenstische Stille über dem Norrn-Stieg aus. Ein schneidender Wind fuhr durch die schroffen Felsen und peitschte Eiskristalle an Asgrim und Eirik vorbei, deren Atem in der kalten Luft wie weißer Rauch waberte. Asgrim hielt Eirik, dessen Körper noch immer von Erschöpfung gezeichnet war, dicht an sich, spürte das Zittern seiner Muskeln und das schwache Pochen eines Herzens, das zu nahe am Rand des Krieges geklopft hatte.
Obwohl keine offenen Wunden mehr bluteten, verriet seine schartige Rüstung, wie tief die Goblinpfeile einst gedrungen waren. Asgrim, halb im Unglauben, dass sein Bruder überlebt hatte, suchte mit besorgten Fingern die ehemaligen Einstichstellen an Schulter und Brust – doch sie waren von Gwynwens heilender Berührung unsichtbar gemacht. Quaz’Ra, der Achaz, der ihm so tapfer zur Seite stand, trat hinzu und bot seine Hilfe an. Seine Bewegungen ruhig und sicher, als würde er selbst Teil des Passes sein.
Lautlos wie fallende Schneeflocken glitt Gwynwen heran, hob die Hand und legte sie auf Eiriks Brust. Ein warmer Schein durchdrang die eisige Stille, lenkte das Zittern aus seinen Adern und ließ das fahle Blut erneut fließen. Ein tiefer, bebender Atem kündigte die Rückkehr des Bewusstseins an. Eirik fuhr empor, die Lider flimmernd, und starrte benommen in die Gesichter, die ihm so vertraut und doch fremd erschienen. Seine Gedanken wirbelten wie Schneegestöber umher, bruchstückhaft und kalt, so dünn wie die Luft auf dem Gebirgspass.
Asgrims Gedanken wurden von gebrochenen, fast klaghaften Worten zerrissen. Kaum hörbar murmelte Eirik in seinen geschlossenen Helm, die Pupillen geweitet, als sähe er Bilder, die nur ihm bestimmt waren. Er sprach von ihrer Familie – jene, die seit vielen Monden nicht mehr unter ihnen weilten, denjenigen, die der Beweggrund dieses Weges waren. Er habe sie gesehen, flüsterte er, habe erlebt, was sie erlitten, als seien jene Tage erst vor Augenblicken vergangen.
Asgrim sah das Lächeln, welches selbst in den dunkelsten Stunden so unbeschwert durch Eiriks Visier funkelte nicht, es war ausgeblieben. Stattdessen lag in den Zügen seines Bruders eine Schwere, als seien die Narben der Pfeile nicht nur im Fleisch, sondern tief in seiner Seele verankert.
Ein Ruf der Händler schnitt durch die Stille: Die restlichen Goblins müssten gestellt und getötet werden, um den Pass künftig sicher zu halten. Asgrim richtete Eirik behutsam auf, half ihm in den geschützten Rahmen eines Karrens, wo weiche Felle ihn vor der Kälte bewahrten.
Gwynwen und Quaz’Ra wandten sich ohne Hast ab und stiegen den Hang erneut hinauf, um den Spuren weiter zu folgen, während Asgrim und Eirik einen Moment in schweigendem Einverständnis verharrten: Ihr Bund würde sie weitertragen, wohin der Pass sie auch führen mochte.
Eirik starrte nachdenklich nach oben, die Lichtstrahlen, die durch die Ritzen der löchrigen Plane fielen, wärmten sein Gesicht, doch in seinem Innersten herrschte eisige Leere.
Auch Asgrim versank in Gedanken. Die Taten der Elfe hatten ihm begreiflich gemacht, wie sein Bruder überlebt hatte – doch was danach geschehen war, ließ ihn nicht los. Warum hatte Eirik gerade jetzt über ihre Vergangenheit gesprochen? So oft hatte er dieses Thema mit Wut abgewehrt, als brenne es ihm die Seele. Die Erkenntnis traf Asgrim wie Eis: Manchmal hinterlässt nicht die Wunde selbst, sondern ihre Erinnerung tiefste Spuren.
Asgrims Gedanken wurden jäh unterbrochen, als Eirik wie von unsichtbarer Kraft getrieben in die Höhe schoss. Noch unsicher auf den Beinen, stapfte der junge Thorwaler den Hang hinauf, die Augen auf die kaum sichtbaren Abdrücke im Schnee fixiert. Asgrim sprang hinterher, die Muskeln gespannt, jeder Schritt ein Ausbruch der Sorge um den Bruder. Niemand konnte sagen, wohin Eiriks Entschluss ihn trieb oder welches Bild ihn erwartete.
Oben angekommen, offenbarten sich ihnen die Spuren eines erbarmungslosen Gefechts. Zerschlagene Leiber lagen verstreut, blutige Fetzen aus Fellen und Stoff wiesen auf den Kampf mit dem mächtigen Oger hin. Überall zeugten tiefe Einkerbungen im Felsen und schimmernde Metallsplitter von der Wucht der Auseinandersetzung.
Inmitten dieses Trümmerfeldes entdeckten sie den Rest der Gruppe. Quaz’Ra hielt eine schlichte Lederkappe in seinen Händen. Asgrim und Eirik gesellten sich dazu, schritten bedrückt durch das Schlachtfeld und versuchten, den stillen Rat der Gruppe zu erfassen.
Asgrim erkannte, dass die Kappe das Symbol jener Wegelagerer gewesen sein musste und sie an jenem Ort zusammengehalten hatte. Ein Gedanke keimte in ihm auf, er wollte die Kappe probeweise aufzusetzen, um ihre Wirkung zu ergründen. Doch Gwynwen und Quaz’Ra wiesen ihn unmissverständlich ab: Auf jenem Kleidungsstück lag wahrscheinlich eine finstere Magie.
Eirik zuckte zusammen. Dunkler Zauber war ihm stets unheimlich gewesen und nach den letzten Stunden traute er seinem Glück nicht mehr. Schweigend packte die Gruppe die Kappe ein und machte sich daran, die restlichen Goblins aufzuspüren und ein für alle Mal zur Strecke zu bringen.
Asgrim legte nahe, dass er und Eirik bei den Händlern bleiben sollten, um den Karren zu bewachen. Doch Eiriks finstere Entschlossenheit zeigte ihm deutlich, dass sein Bruder diesem Rat nicht folgen würde. Asgrim spürte den unbändigen Willen in Eiriks Blick und ließ ihn ziehen.
Stumm und mit festem Schritt folgte die ganze Gruppe den verwischten Fährten im hohen Schnee, immer weiter in die karge Weite des Gebirges hinein.
An der schroffen Felswand tat sich eine breite Spalte auf, aus der ein beißender Geruch drang, als hätte ein Oger selbst hier sein Mahl verzehrt. Die Elfe hob die Hand an die Lippen, ließ ihren geschulten Sinn den stechenden Duft lokalisieren.
Die Gruppe versammelte sich im Licht des Tages vor dem Höhleneingang. Ludwig bewegte sich lautlos voran, die Armbrust gespannt, die Schritte so leise, dass selbst der Wind sie kaum verriet. Eirik folgte ihm in sicherem Abstand, bereit, jeden Hinweis aufzunehmen und sofort weiterzugeben.
Im Inneren offenbarte sich ein notdürftig eingerichtetes Lager. Zerschlagene Kisten lagen zersplittert auf dem gefrorenen Boden, Feldbetten aus Fellen waren halb auf wackeligen Karrenrädern verstaut, Beutel und Körbe stapelten sich hastig, als wollten die Plünderer jeden Augenblick von hier verschwinden. Ihre hastige Geschäftigkeit ließ keinen Zweifel daran, dass sie auf Flucht aus waren.
Ludwig spannte die Sehne, ein Pfeil schnitt durch die Höhlenluft wie ein gehetzter Falke. Mit einem dumpfen Knall brach das Geschöpf zusammen, und binnen Herzschlägen brach ein wilder Sturm aus Stahl und Rufen los, in dem die Goblins, zahlenmäßig eindeutig unterlegen, rasch überwältigt wurden.
Doch nur einer blieb am Leben. Gefesselt und zitternd wurde er in die Mitte des Lagers gezogen. Sein panischer Blick erzählte von Furcht und Verzweiflung. Keiner der Abenteurer verstand sein Knurren, doch sie wussten: Im Dorf würde man sicherlich eine Lösung für das Problem finden.
Eirik entzündete eine Fackel, ihr flackerndes Licht warf zuckende Schatten an die Wände. Quaz’Ra trat neben ihn und durchsuchte mit ruhigem Blick die Regale und Truhen – überall nur Spuren hastiger Räumung, doch kein Diebesgut, kein Schriftstück, keine Andeutung, weshalb die Goblins gerade diesen Ort gewählt hatten.
Quaz’Ra und Eirik schoben sich in eines der Zelte, das tief in der Höhle verborgen war. Das flackernde Licht ihrer Fackeln enthüllte zerfetzte Felle, leere Kisten und verstreute Vorräte, doch keinen einzigen Hinweis auf den Verbleib der gestohlenen Waren. Schweigend drehten sie sich um und wollten das Zelt wieder verlassen, als Eiriks Blick am Rande des Bodens haften blieb.
Ein winziges Büschel blau schimmernden Fells lugte unter einer zerrissenen Plane hervor. Eirik kniete nieder, hob es behutsam auf und ließ den Fund zwischen den Fingern gleiten.
Quaz’Ra trat näher, seine schuppigen Züge verhärtet, die Zunge zuckte in einem raschen Zischen. Das Kopfnicken der Echse bekräftigte Eiriks Entdeckung: Dieses Fell konnte nur von jenem Wesen stammen, das sie seit einer Weile jagen!
Mit dem Fund in der Hand traten sie aus dem Zelt in die Höhle hinaus. Jeder Schritt durch das Lager führte sie zurück zur ungeduldig wartenden Gruppe, das blaue Büschel wie ein stummer Beweis erhoben, bereit, ihre Gefährten über die neue Wendung ihrer Suche zu informieren.
Gemeinsam mit Quaz’Ra trat Eirik einen Schritt zurück und zeigte der staunenden Gruppe den Fund. Die Echse beugte sich über das Fell, die Zunge zuckte, als erkenne er dessen untrügliche Herkunft. Ein Raunen ging durch die Abenteurer: Der Blaue Ork war hier am Werk, doch welche Fäden spann er noch, wenn schon seine Fellfasern in dieser Höhle lagen?
Ohne ein weiteres Wort verließen sie die Höhle und stiegen den verschneiten Hang hinab zurück zur Kolonne. Jeder knirschende Schritt im Pulverschnee stärkte das Bewusstsein, dass ihre Suche weit größere Ausmaße angenommen hatte, als sie je geahnt hatten – und dass die Spuren des Blauen Orks sie tiefer in eine finstere Verschwörung führen würden.
Nach einem kurzen, aber beschwerlichen Marsch durch den tiefen Pulverschnee sammelte sich die Gruppe wieder bei den Karren. Eiriks Augen suchten Asgrim, um ihm den Fund und die Neuigkeiten von der Höhle zu berichten. Nur Rotang blieb zurück, um den Ogerkopf als Trophäe zu bergen und ihn als sichtbaren Beweis ihres Triumphes in die Stadt zu tragen – vielleicht konnte man ihn dort gegen Münzen aufwiegen lassen.
Jorre Knisterling, der Händler, dessen Karawane die Thorwaler seit Fjallhavn begleitete, winkte den jungen Halbelf Ludwig herbei. Beide verschwanden hinter einem der Karren, und nach wenigen Augenblicken kehrte Ludwig zurück, die Schritte gedämpft im Schnee.
Jorre gab das Signal zum Aufbruch. Er wies die Abenteurer an, ihre Ausrüstung von den Wagen zu holen, denn die Kolonne müsse weiterziehen.
Eirik, dessen Gedanken ganz auf die versprochene Entlohnung gerichtet waren, eilte vor und stellte sich energisch am Wagen des Anführers auf. Mit festem Blick und entschlossener Haltung ließ er keinen Zweifel daran, dass er seinen Sold einforderte.
Der Händler musterte ihn überrascht. Dann deutete Jorre auf Ludwig und erklärte, dass dieser bereits den gesamten Lohn für die Gruppe empfangen habe.
Bevor Eirik erwidern konnte, setzten sich die Wagen in Bewegung. Das laute Rumpeln der Räder hallte über den Pass, während die Thorwaler noch einen letzten Blick tauschten – auf Ludwig, der hinter dem Karren verschwand, und auf den Händler, der die Zügel fest im Griff hielt.
Es brach eisige Stille über den Pass herein, als Asgrim und Thronde neben Eirik traten. Ihr Blick ruhte auf Ludwig, dessen Haltung die stolze Überheblichkeit eines Siegers ausstrahlte. Er verharrte reglos und ließ die Thorwaler wortlos stehen, nur um mit einer beiläufigen Geste auf jene Richtung zu deuten, in der Jorre Knisterling bereits verschwunden war.
Der Halbelf machte keinen Hehl daraus, dass er den Sold für die eigene Gruppe empfangen hatte. Für ihn war die Angelegenheit damit erledigt.
Ein schneidendes Schweigen folgte.
Dann durchzuckte ein eisiges Bewusstsein die Nordmänner: Wenn sie Geld möchten, sollen sie es sich vom Händler holen. Er habe nur den ausgemachten Preis für sich und seine Gruppe erhalten.
Diese Worte hallten in ihren Köpfen wider.
Diese Antwort war keine gute Idee, denn wer sich zwischen einen Thorwaler und seinen Lohn stellt, tut gut daran, vorher Abschied von seinen Zähnen zu nehmen – oder gleich vom ganzen Leben.
Die Nordmänner würden nicht verhandeln, wenn es um ihre rechtmäßige Beute geht.
Sie holen sich, was ihnen zusteht. Wenn man Glück hat, mit Worten. Wenn nicht mit der Waffe.
In ihren Augen ist der Lohn nicht bloß Münzen oder Ware – er ist der Beweis für ihre Taten, Mut, Stärke und Ehre. Wer ihnen das nimmt, nimmt ihnen ein Stück ihrer selbst.
Thronde war der erste, der reagierte. Mit festem Schritt trat er vor, die Muskeln spannten sich, während die Adern an seinem Hals pulsierten. Jeder Atemzug blieb in der Luft hängen, als stünde er im Moment des Entschlusses, Gewalt anzuordnen.
Rotang, den Ogerkopf noch auf der Schulter ruhend, näherte sich gemessenen Schrittes und fand die Fronten bereits verhärtet. Gwynwen entfernte sich, die Arme verschränkt und das Kinn leicht nach oben gereckt, um nicht Partei ergreifen zu müssen. Quaz’Ra schließlich stellte sich zwischen Thorwaler und Gefährten und versuchte, die erhitzten Gemüter zu beruhigen.
Und so standen sie da, eine Gruppe entzweit von Ludwigs eiserner Haltung: die Thorwaler, bereit, sich ihr Recht notfalls mit der Waffe zu holen, und die Gefährten, die Ludwigs Behauptung widerspruchslos hinnahmen. Die Spannung loderte zwischen ihnen wie ein Feuer, unberechenbar und scharf wie die Klingen, die sie trugen.
Eirik musterte seine Thorwaler Gefährten. Asgrim, sonst Sinnbild der Gelassenheit, stand reglos da, die Augen weit geöffnet, der Körper gestählt wie gehärtetes Eisen. Die massiven Felswände des Passes schienen im Vergleich zu ihm zu zerbröseln. Eiriks Blick wanderte weiter zu Thronde. Seine Augen glühten vor Wut, noch heller als das Feuer Ingerimms! Eirik spürte selbst eine heiße Flamme in seiner Brust, bereit, jeden Widerstand niederzuschmettern.
Ludwig zeigte noch immer keine Regung des Einlenkens. Mit einem mächtigen Ruck zog Thronde die Orknase vom Gürtel, hob sie drohend und richtete sie auf den Halbelfen. Eirik folgte dem Impuls: Er zog das Schwert aus der Scheide, die Klinge funkelnd, bereit Blut zu vergießen, falls den Thorwalern ihr Recht nicht sofort zugesprochen würde. Einzig Asgrim blieb unbewaffnet, das ruhige Auge des Sturms inmitten gespannter Tatkraft.
Doch ehe ein Funke zum Feuer werden konnte, trat Rotang – der Holzfäller – dazwischen und spannte sich zwischen die Fronten. Seine mächtige Silhouette schien die angespannte Situation in Schach zu halten, als habe er eine unsichtbare Barriere errichtet.
Mit bedächtiger Stimme schlug Rotang vor, in der Stadt eine gerechte Belohnung für die Sicherung des Passes einzufordern und diese dann bei ein paar Krügen in der Taverne fair unter der gesamten Gemeinschaft aufzuteilen. Ein Vorschlag, so schlicht wie weise!
Langsam kehrte Vernunft in die Gemüter zurück. Eirik spürte, wie ein Gedanke in ihm aufstieg: Sollte es wirklich das Ende ihrer Gemeinschaft sein? Noch nie zuvor hatte er sich so tapfer und stark gefühlt wie in dem Moment, als die Aussicht auf einen gemeinsamen Sieg eine größere Flamme in seinem Herzen entzündete. Schließlich sank er die Spitze seines Schwertes nach langem Zögern.
Bedächtig steckte Eirik die Waffe zurück in die Scheide und wandte einen Blick zu Thronde. Er spürte das stille Einverständnis und ließ auch die Orknase zurück an den Gürtel gleiten.
Mit einem letzten, warnenden Blick auf Ludwig zollte Thronde seinem Unmut respektvoll Tribut: Die Thorwaler würden sich von ihm nie wieder zum Narren halten lassen.
So brachen beide Gruppen gemeinsam auf und traten den beschwerlichen Abstieg ins Tal an. Auf dem langen Marsch durch knirschenden Schnee blieb kein Laut vernehmbar – nur das gebrochene Echo ihrer Schritte, das von Zusammenhalt und neu gefundener Entschlossenheit kündete.
Nach einigen Stunden des mühsamen Marschs durch knirschenden Tiefschnee erreichten die Abenteurer endlich die altbekannte Taverne in Nordwall.
Die ersten morgendlichen Sonnenstrahlen fielen warm über die hölzernen Balken des Gasthauses und luden sie ein, einzutreten. Schweigend suchten sie die langen Bänke auf, ließen sich erschöpft nieder und gönnten sich Speis und Trank, während der Kamin das frostreiche Holz in wohlige Wärme verwandelte.
Plötzlich schlug die schwere, beschlagene Holztür mit einem lauten Krachen auf und eine junge Frau in glänzender Rüstung betrat den Raum. Sie stellte sich als Erlgard Hohenwald vor, Kommandantin der Grafschaft Heldentrutz. Eiriks Blick blieb sofort an ihrem entschlossenen Antlitz hängen. Mit aufgerissenem Visier und seinem gewinnendsten Lächeln trat er vor, ließ schmeichelhafte Worte in den Raum gleiten – nur um von Erlgard mit höfischer Strenge abgewiesen zu werden. Ihre knappe Erklärung, er sei ihr zu jung für derartige Spielchen. Unter leisem Schmunzeln seiner Gefährten musste Eirik erkennen, dass sie nicht so einfach durch Schmähworte zu bezirzen war. Ernüchtert schloss Eirik das Visier, während die Wärme seines Ehrgeizes in einem leisen Glühen verkroch und er geschlagen zurück an seinen Platz schlurfte.
Erlgard zeigte jedoch kein Interesse an Speis und Trank oder dem plumpen Liebesgeplänkel des jungen Thorwaler.
Stattdessen zog sie einen prall gefüllten Ledersack hervor und übergab der anderen Gruppe die Belohnungen, die bereits für die Rettung von Hirschquell und die Sicherung des Norrn-Stiegs vereinbart waren.
Nach kurzem Zögern wurde auch eine Vergütung für die Gefangennahme des Goblins und den abgetrennten Kopf des Ogers ausgezahlt. Zugleich kündigte die Kommandantin an, dass alle Erkenntnisse aus dem Verhör des Goblins zur Verfügung gestellt würden.
Um erneuten Streit zu vermeiden, verteilte Rotang das Silber mit ruhiger Hand: Diesmal würden die Thorwaler nicht leer ausgehen. Dennoch brannte in Eiriks Brust noch immer der Groll — ihre Ehre war zuvor verletzt worden, und diese Wunde würde nicht so schnell heilen. Eirik bildete sich ein, auch in den Blicken von Asgrim und Thronde dieselbe Stimmung wahrzunehmen.
Erlgard verharrte noch einen Augenblick, als wüsste sie, dass ihre Nachricht die Runde nicht beendet hatte. Dann ließ sie ihre Stimme erneut erklingen, um von Drachen-Sichtungen im Osten zu berichten – nahe der Stadt Nordhag, so ihre Worte. Sofort durchzuckte Eirik sein eigener Blick gen Himmel, erinnerte er sich doch an jenes mächtige Wesen, das hoch über Fjallhavn seine Kreise gezogen hatte. Konnte es sich bei beiden Sichtungen um dasselbe Ungetüm handeln, das nun drohend am Horizont aufstieg?
Seine wirren Gedanken wurden von einem lauten Aufschrei unterbrochen. Grimbald, der Zwerg mit dem buschigen Bart, war aufgesprungen und entlud seinen alten Groll gegen Drachen in einer Sturmflut wackerer Flüche. Es schien, als sei dieses uralte Misstrauen tief in seiner Zwergenbrust verwurzelt und mit keiner Versöhnung zu besänftigen.
Schließlich ließ Erlgard den Zügel der Unterhaltung los, als wäre ihre Pflicht erfüllt. Die Gruppe wandte sich den letzten Formalitäten zu: Gemeinsam verhandelten sie die ausstehende Belohnung für die Nachforschungen, bis jeder Heller gerecht zugeteilt war. Dann hoben sie erneut ihre Humpen, füllten sie mit Bier und würzigem Met und ließen die Wärme in ihre Glieder kriechen.
Erschöpft von den Tagen auf eisigen Pfaden und hitzigen Auseinandersetzungen zogen sie sich schließlich in ihre Zimmer zurück. Während die Flammen im Kamin hinter ihnen tanzten, lagen sie in ihren Betten und gaben der Erschöpfung nach.
Doch jeder von ihnen wusste: Schon mit den ersten Strahlen der Morgensonne würde die Reise weitergehen...