19.Tag im Praiosmond, 1040 nach Bosparans Fall, später Nachmittag
Rotang, Tronde, Quaz’Ra und Grim, der Zwerg den sie am Morgen kennengelernt hatten, saßen gemeinsam in der Gaststube. Schon einige Male hatten sie zu Ehren der verstorbenen Gefährten die Becher erhoben.
Gerade als sich das Fässchen vor ihnen dem Ende neigte, öffnete sich die Tür zur Straße. Unter den überraschten und erfreuen Blicken der Runde betrat Eirik die Schänke.
Wortlos und das Gesicht hinter dem Visier seines Helmes verborgen. Der junge Thorwaler setzte sich an den Tisch der Runde. Die freudigen Bekundungen und höflichen Fragen verhalten, ohne bei Eirik eine Regung zu erwirken. Während sich Quaz’Ra flüsternd bei Tronde erkundigt, wie sie Eirik, den Tod Asgrims erklären sollten, erschienen plötzlich Gwynwen und Grimbald im Gastraum.
Überschwänglich begrüßte Grimbald das neue Zwergengesicht am Tisch, sie tauschen Namen und erste zwergische Freundlichkeiten aus. Quaz’Ra war unterdes erfreut vom Tisch aufgesprungen, sein Schweif huschte aufgeregt hin und her, während er Gwynwen begrüßte. Erst als Tronde ihn aufforderte, sich etwas zu beruhigen fand er seine fassung wieder.
Sie erklärten den beiden von der schweren Vergiftung, die sie am Vortag erlitten hatten, den Ereignissen des Tages und ihre erkentnisse um den Alchimisten. Unter der Erzählung betrat auch Ludwig die Gaststätte und setzte sich sichtlich erleichtert über die Genesung seiner Gefährten mit an den Tisch.
Nach einem kurzen Moment stellte sich Quaz’Ra hinter Eirik, legte eine Hand auf seine Schulter und wollte ihnen vom Tode Asgrims berichten. Noch bevor der Achaz seinen Satz vollenden konnte, unterbrach ihn Eirik. Er berührte die Hand auf seiner Schulter und durch das geschlossene Visier grummelte er: “Der stille Wächter hat ihn zu sich gerufen.”
Erst Gwynwen wagte es, die nicht enden wollende Stille am Tisch zu durchbrechen und bekundete ihr Beileid für seinen Verlust. Eirik widmete ihr einen dankenden Blick und nickt, kurz bevor er das Visier schloss und seinen Blick senkte. Grim stellte sich nun auch den anderen vor und berichtete von seinen verstorbenen Gefährten und seinem Wunsch nach Rache. Sie begannen zu planen, wie sie Rache an dem Alchemisten üben könnten, bis Eirik sie unvermittelt unterbrach. Er lüftet sein Visier, mustert die Runde und sprach eindringlich: “Wer Rache sucht, der ruft nur ein zweites Mal den Tod", bevor er sein Visier wieder senkte. Übermütig sprang Grim auf den Tisch und orderte ein Fass auf Eiriks Namen, den Trauerkloß, wie er ihn kurzerhand betitelte.
Dieser ignorierte das Gehabe des Zwergs, stand wortlos auf und verließ die Gaststätte. Quaz’Ra schickte sich an, ihm zu folgen, doch Gwynwen hielt ihn zurück. Tronde pflichtet ihr bei, er brauche jetzt Zeit für sich.
Sie blickten aus dem Fenster und sahen, wie Eirik vorbei ging. Nur einen Moment nachdem der Thorwaler aus ihrem Blick verschwunden war, konnten sie erkennen, wie ein Rabe am Fenster vorbei glitt, als würde er Eirik folgen.
Grimbald lenkte das Gespräch auf die Zwergenbinge, die Grim zuvor erwähnt hatte. Er berichtet von der alten Festung, die er etwa 3 Tagesreisen im Norden vermutete. Die Zwerge hatten die Binge zwar vor mehr als 100 Jahren aufgegeben, doch wollten sich er und seine Gefährten dort nach verborgenen Schätzen umsehen. Quaz’Ra schaut Gwynwen fragend an, hatte die Frau, die ihr den Talisman anvertraut hatte, nicht auch von einer Zwergenbinge gesprochen. Grimbald pflichtete ihm bei, sie hatte ihm von Armschienen erzählt, die dort verborgen sein sollten.
Eirik hatte unterdessen den Friedhof der Stadt erreicht und die Totengräber angeheuert, Asgrim aus der Gastätte zu holen und ihn zu seiner letzten Ruhe zu betten.
Unter lautem gepolter betrat ein rothaariger Zwerg den Gastraum. Er schleuderte seinen Rucksack von den Schultern neben der Theke. Der Wirt schien ihn zu kennen und reichte dem Neuankömmling prompt einen Humpen Bier und ließ den Rucksack auf ein Zimmer bringen. Sofort tat der Zwerg lautstark seine Verwunderung über die “Die Bunte Truppe” am Tisch kund. Mit einem Grinsen im Gesicht näherte er sich dem Tisch.
Quaz’Ra war in der Gegenwart von drei Zwergen unwohl am Tisch geworden und zog seine Kapuze etwas tiefer ins Gesicht. Rotang lud den rothaarigen Angroschim ein, sich zu ihnen zu setzen. Der Zwerg stellte sich als “Buratosch“ vor, er war Händler für Werkzeuge und allerlei sonstigen Bedarf. Seine Augen wurden groß, als er erfuhr, dass er mit Abenteurern am Tisch saß. Er bat sie, die Zwergenbinge zu besuchen und ihm einen Ring zu bringen, den er dort vermutete. Es sollte ein Erbstück seines Großvaters sein, welches sie an einer Gravur erkennen könnten.
ährend die Runde diskutierte, ob sie die Binge besuchen würden, betraten zwei Männer den Gastraum. Sie wären geschickt worden, einen Körper zu holen. Gwynwen und Quaz’Ra begleiteten die Männer auf das Zimmer, in dem Asgrims Körper noch immer im Bett lag. Die Männer ächsten, als sie den mächtigen Thorwaler die Treppe hinab und auf den Wagen schafften. Quaz’Ra brachte Asgrims Waffe und den Rucksack mit sich und auch Gwynwen begleitet den Tross auf dem Weg zum Friedhof.
Eirik streifte gedankenverloren umher, als sie am Friedhof eintrafen. Sie sahen aus der Ferne, wie sich der Rabe, den sie zuvor am Fenster gesehen hatten, von Eiriks Schulter erhob und begann über dem Friedhof zu kreisen. Eirik näherte sich wortlos, nickte ihnen zu und nahm Asgrims Hammer an sich. Er blickte zu Gwynwen, öffnete das Visier des Helms, bat sie mit bebender Stimme um das Messer, das er ihr anvertraut hatte. Sofort überreichte sie ihm die Waffe.
Voller Ehrfurcht trug er das Messer zum Grab, an dem die Totengräber bereits beschäftigt waren, den leblosen Körper zu seiner letzten Ruhe zu betten. Eirik legte es auf Asgrims Brust, bevor der Körper ins Grab hinab gelassen wurde. Den Hammer stellte er wie einen Grabstein ans Kopfende des Grabes, befestigte eine schwarze Rabenfeder am Griff, kniete sich nieder und strich über den Hammerkopf, in den Asgrim seinen Namen eingraviert hatte.
Er verharrte einen Moment, bevor er aufstand und mit einer Geste den Raben zu sich rief. Der Rabe ließ sich auf seiner rechten Schulter nieder.
Nachdem er den Totengräber ihren Lohn entrichtet hatte, kam Eirik auf Gwynwen und Quaz’Ra zu, die mit einigen Schritten Abstand dem Geschehenen beigewohnt hatten. Gwynwen umarmte Eirik, um ihm ihr Mitgefühl auszudrücken. Quaz’Ra stand einen Moment etwas unsicher daneben, bevor er beide mit seinen Armen umschloss.
Unterdes war in der Taverne die Planung für die Reise zu Binge in vollem Gange. Der Händler hatte angeboten, die nötigen Auslagen und Werkzeuge zu übernehmen, falls sie ihm den Ring beschaffen könnten. Es waren einige Fässer Bier geleert worden und die Stimmung war ausgelassen, als Eirik Gwynwen und Quaz’Ra in die Taverne zurückkehrten.
Eirik setzte sich abseits der Runde an einen ruhigen Tisch. Die große Runde brach plötzlich in lautes Gejohle aus. Grim war auf eins der Fässer gesprungen und begann laut “Binge Binge Binge…” zu rufen. Rotang sprang ebenfalls auf und stimmte mit den anderen in den Chor ein.
Gwynwne schlug Eirik einen Spaziergang vor, ihr behagte das ausschweifende Gelächter und Gegröle am Nebentisch nicht, auch Quaz’Ra willigte ein und begleitete sie zur Tür.
Die Drei streiften durch die verregneten Gassen der Stadt. Gwynwen und Quaz’Ra befragten ihn über seinen Wesenswandel, den Raben und woher er die Kenntnis vom Tod seines Bruders hatte, noch bevor er mit ihnen gesprochen hatte. Der feurige junge Thorwaler war ruhig, fast schon andächtig geworden. Er stellte ihnen den Raben, der ihn nicht aus den Augen ließ und die meiste Zeit ruhig auf seiner Schulter saß als “Somnus“ vor. Eirik deutete vage an, dass Boron den Raben zu ihm gesandt hatte. Gwynwen betrachtete den Raben genauer und schien sich mit ihm anzufreunden. Quaz’Ra hingegen war der gefiederte Begleiter Eiriks nicht geheuer, doch seine Neugier über Götter der Warmblüter und den Raben waren längst entflammt.
Eirik streichelte den Raben behutsam am Kopf, als er den Schnabel berührte, zuckte er zusammen, schloss die Augen und erstarrte. Besorgt legte der Quaz’Ra ihm die Hand auf die Schulter und schlug vor, in die Taverne zurückzukehren. Unvermittelt schlug Eirik die Augen auf und ergriff die Hand des Achatz auf seiner Schulter. Er starrte in den nachtschwarzen, wolkenverhangenen Himmel. Wie in Trance begann Eirik zu sprechen “einen Weg im Wald!!" ein Schatten am Himmel, die Kreatur !!! Eine Tür im Gebirge !! Rauch!”, er verstummte. Seine Hand glitt von der Schulter und gab die Hand des Achaz frei.
Als ob nicht gewesen wäre, schaute er nun die Beiden fragend an. Quaz’Ra blickte hilfesuchend zu Gwynwen, sie begann Eirik zu befragen, doch dieser konnte sich an nichts erinnern. Der Achaz bestand nun darauf, in die Taverne zurückzukehren.
Sie könnten morgen über das Erlebte sprechen, er hatte für einen Tag schon zu viel ertragen müssen. Gwynwen gab nach und so kehrten sie zu sehr später Sunde zurück in die nächtlich ruhige Taverne. Im Gastraum konnten sie die Spuren des Gelages erkennen, von dem sie enteilt waren. Auf dem Tisch lag der Zwergenhändler schnarchend zwischen leeren Bierfässern und Tellern. Aus dem oberen Stock schallte das gleichmäßige Brummen ihrer Gefährten, das unwillkürlich von verträumten Binge Binge Rufen untermalt wurde. Gwynwen gestette Eirik sich in das zweite Bett in ihrem Zimmer zu legen, während Quaz’Ra sich in sein Bett legte und umgehend einschlief.
